Der Mensch neigt dazu, besonders in Krisen- und Kriegszeiten Vorräte anzulegen.
Das ist normal, da findet niemand etwas dabei.
Jedoch weiß Herr Schobermann, ein ehemaliger passionierter Briefmarkensammler,
dass auch Wertgegenstände, Toilettenpapier, Miniatureisenbahnen, Münzen aller Art, Antiquitäten,
Taschenuhren, Porzellan, aller möglicher Krimskrams, gern gehortet, gehamstert und gebunkert werden, um es mit negativ-abwertenden Verben zu formulieren.
Männer scheinen besonders dafür anfällig zu sein, denn sie hören immer wieder Klagen der Ehefrauen, die sich darüber beschweren, dass ihr Göttergatte jedes verbogene Rohrstück, jedes Fahrradteil, jede verrostete Schraube, Bretter und alte Gefäße wie Blumentöpfe aufbewahren, und nennen das „Müllhalde“.
Bei Frauen weiß Herr Schobermann nur etwas von Vorlieben für Schuhe, Handtaschen und Kleidern. Die Frauen sagen, sie hätten nichts anzuziehen, aber der Kleiderschrank geht nicht mehr zu. Bildwitze in Zeitschriften und im Internet als Comics sind voll davon.
Zu Beginn der Corona-Krise fehlte es unter anderem an Toilettenpapier.
Die Verwandten, die mitbekamen, dass die Schobermanns auf Tempo-Tücher auswichen,
benutzten die Wörter „Umweltsünder“ und „Frevler am Ökosystem“.
Also stellten sich die arg Beschimpften auf Zeitungspapier um, fein zu kleinen Quadratblättchen geschnitten, wie zu früheren Zeiten, als es noch „Plumpsklos“ gab und man die Blättchen von einem Nagel riss, an dem sie aufgespießt waren.
Enkel Lennart hörte davon.
Er machte sich auf den Weg zu drei verschiedenen Kleinstädten und verfuhr für mindestens 20 Euro Benzin.
Für Toilettenpapier gab es inzwischen einen Schwarzmarkt mit überteuerten Preisen.
Für 10 Euro ergatterte er „unter der Hand“ zwei Rollen Papier und kam abends glücklich, aber erschöpft, bei Oma und Opa an.
Einen ganzen Tag gefahren und 30 Euro für eine winzige Menge Klopapier ausgegeben!
Dennoch waren alle glücklich.
Die Supermärkte warben damit, man sollte doch einen Vorrat an Lebensmitteln anlegen.
Schobermann erinnerte sich an den Loriot-Film, in welchem ein Herr Schoppenstedt als Kapitalanlage 150 Gläser Senf ins Haus kommen ließ.
Der gab sich am Telefon als Unternehmer aus, bekam nach einem zähen Verhandlungsgespräch den Einzelpreis für 89 Cents mitgeteilt , frachtfrei zu liefern auf Palette, und freute sich über den Mengenrabatt.
Ein Supermarkt in Schobermanns Wohnort machte Werbung für Bihun-Suppen, die, wenn man 50 Dosen bestellte, diese porto- und frachtfrei ins Haus geliefert bekäme.
Statt 1,49 Euro, so die Werbung, würden die Dose nur 99 Cents kosten.
Bei dem Angebot konnte Schobermann nicht widerstehen.
Seine Frau war außer sich vor Zorn. „Was sollen wir mit 50 Dosen Bihun-Suppe anfangen?“ jammerte sie.
„Abends chinesisch essen. Wir können immer mal eine Dose verschenken, zu Geburtstagen, zu Weihnachten, an die in WGs wohnenden studierenden Enkel. Wer weiß denn, ob die Preise wie in Kriegszeiten nicht explodieren? Was man hat, hat man!“
Noch heute, nach dem Ablaufdatum essen die Schobermanns „mit spitzen Zähnen“ an der Suppe.
Beim gemütlichen Nachmittagskaffee schrie Frau Schobermann in der vorigen Woche laut: „O Gott! Hier in der Beilage des Wochenblattes wirbt ein nahe gelegener Supermarkt für Bihun-Suppen-Dosen zum Einzelpreis von 65 Cent!“
Die Gemütlichkeit beim Nachmittagskaffee war dahin!