„Kein Mensch wird ohne Fehler geboren“. sagte einmal Horaz
Vielleicht ist diese Erkenntnis der Grund, weshalb sich der Mensch nach Vollkommenheit sehnt.
Gerade diese tiefste, ureigenste Sehnsucht ist der größte Schatz, da sie der Menschheit hilft, immer besser zu werden, stetig in ihrem inneren Wachstum voranzuschreiten und dem Einzelwesen der eigenen Seele anzunähern. Alles Leben kann immer nur Teile der Wirklichkeit erfassen, auch wenn das Ziel die Ganzheit ist.
Also, Vollkommenheit? Die gibt es nur in der Mathematik und der Technik. Die Theologen fügen Gott hinzu und nennen ihn „den Grundgütigen“. Da lobt sich doch Herr Schobermann die neutrale Benennung „Schöpfung“.
Letztlich beruht jede Krankheit wie auch die Corona-Pandemie, die manche Fromme „gottgewollt“ nennen, auf fehlenden bestimmten Prozessen im menschlichen Körper, die häufig auch von außen Einfluss nehmen.
„Heil“ werden, heißt „ganz“ werden. Es geht um das Finden eines stabilen Gleichgewichts, einer inneren Harmonie. So ist der Mensch zwischen Himmel und Erde ausgespannt, ganz im Bewusstsein seiner Fehlerhaftigkeit und Sterblichkeit, und doch immer im Bewusstsein eines Ideals, wie Leben, wie Menschsein auch anders gestaltet werden könnte.
Die alles entscheidende Frage ist, wie wir mit unseren Fehlern umgehen, in uns und in unseren Handlungen, erörterte Herr Schobermann gemeinsam mit empathischen Menschen, die, was selten ist, bereit waren, ihre eigenen Fehler und Fehlentscheidungen zuzugeben.
Sie alle kamen zu dem Schluss, dass Fehler auf Fehlendes hinweisen, das in seiner Originalität nicht ersetzbar oder zurückverfolgt werden kann. Und dass man aus Fehlern lernen kann.
Anderer Fehler sind noch bessere Lehrer als die eigenen, sagt ein Sprichwort.
„Das Rad des Geschehens lässt sich nicht zurückdrehen“, sagen die Philosophen.
Im Großen und Ganzen müsste zwischen dreierlei Arten von Fehlern unterschieden werden:
- Diejenigen, die wir in uns tragen, wo etwas „fehlt“, wo unsere Schwächen und „schwarzen Löcher“ beheimatet sind. Die Schwächen, die in und an uns immer wiederkehren.
- Diejenigen, die sich als Fehlhandlungen, Ausrutscher und Versehen in unserem Leben ausdrücken.
- Wenn Menschen gleichgültig, oberflächlich, apathisch, intolerant, voreingenommen oder auch hämisch sind, kann es passieren, dass eine Unterlassung ihrerseits, nicht etwas Schlimmes verhindert zu haben, gelinde ausgedrückt, als ein Fehler eingestuft wird.
Entweder wussten es die „Unterlasser“ nicht besser, wenn sie ins Geschehen nicht eingegriffen haben, oder sie erklärten, sie hätten weder etwas gesehen, gehört noch gewusst. Entrüstet stellen sie sich quer, wenn sie gefragt werden, und sagen: „Das konnte i c h doch nicht wissen!“ oder „Das weiß i c h doch nicht!“ Sie meinen, sie hätten sich damit aus der Verantwortung vor den Menschen gestohlen. Wenn andere ein Unglück haben, tun sie, als ginge sie das nichts an.
Grundsätzlich ist es schwierig zu sagen, wo etwas fehlt, da dies nur aus der Sicht des Ganzen beurteilt werden kann. Wer kann von sich schon behaupten, bereits dort angelangt zu sein? Hier verhält es sich ähnlich wie mit Blinden, die einen Elefanten betasten. Jeder meint, dass seine eigene Wahrnehmung die Wahrheit ist, die aber nur einen Teil erkennt (z. B, den Rüssel, die Beine, den Bauch, den Schwanz).
Die allein gültige Wahrheit lehnt natürlich jede andere Meinung ab.
Sie ist auch dann schwer zu finden, wenn Menschen mit zweierlei Maß messen.
Davon kann Herr Schobermann ableiten, dass die Geschichte keine exakte Wissenschaft ist, weil sie abhängig ist von der Frage nach der Objektivität der Moral und daher immer wieder anders beurteilt wird, je nachdem, welche momentane Staats- und Regierungsform oder sich stets ändernde Moralvorstellungen einer Gesellschaft vorherrschend sind.
Eine der größten Hürden auf diesem Weg zu Lebenserkenntnissen ist der Perfektionismus.
Es zeugt von einer gewissen mangelnden Reife, gepaart mit Denken nur bis zum Tellerrand, perfekt sein zu wollen.
Empathiker, Menschen mit Einfühlung und Fantasie, aber auch mit Demut und Achtung vor dem Leben und der Schöpfung behaftet, werden nie perfekt sein wollen und können, weil sie den Spielraum des Experimentierens, der Kooperation mit anderen Gleichgesinnten und das Annehmen und Hineinfühlen und -denken anderer in ihr Streben mit einbeziehen.
Es ist nicht schlecht, die Dinge so gut wie möglich zu machen, aber gleichzeitig muss Herr Schobermann akzeptieren, dass Vollkommenheit nicht von dieser Welt ist. Dadurch fiele schon viel falscher Druck weg, der auf ihn in dieser perfektionistisch sein wollenden Gesellschaft lastet, sagt er. Er erinnert sich, dass Henry Ford hat einmal gesagt hat:
„Suche nicht nach Fehlern, suche nach Lösungen.!“
Orientalische Weberinnen bauten in jeden ihrer Teppiche absichtlich einen Fehler ein, als Symbol dafür, dass nur Allah perfekt ist, jedoch nicht der Mensch. Wer mit einer solchen Haltung der Demut durchs Leben geht, wird sich ständig um Verbesserung bemühen, aber deswegen nicht das Unvollkommene, Unfertige, Unzulängliche, Unperfekte ablehnen.
Während der Stolze stets auf die anderen Menschen herabblickt und dadurch selbst auf seinem Weg nicht mehr vorankommt, kann der Bescheidene nach oben blicken und so einen Schritt vor den anderen in diese Richtung setzen.
Schobermann kann die zwanghafte Sehnsucht nicht verstehen, perfekt sein zu wollen. Was die Menschen unserer Digital- und Konsum-Gesellschaft anstreben sollen, ist das „perfekt werden“.
So scheitern viele Menschen nicht an den Fehlern, die sie machen, sondern an jenen, die sie sich nicht zugestehen wollen, wodurch sie sich den Fortschritt verbauen.
Was sich Schobermann sehnlichst wünscht und was seiner Auffassung nach die Gesellschaft dringend benötigt, ist eine „Kultur des Fehlermachens“. Räume, wo Fehler zugelassen und nicht bestraft werden. Des Menschen inneres kreatives Potential kann sich nur dort entfalten und ausdrücken, wo ohne Angst etwas geschaffen werden kann.
Wie sollen die Menschen nach dem Besseren streben, wenn das Schlechte, beginnend in der Schulzeit mit dem Rotstift, hervorgehoben wird? Wenn die Fehler gebrandmarkt und bestraft werden, was sie unauslöschlich in unser Gedächtnis einprägt?
Die Pädagogik muss verstehen lernen, dass Bestrafung noch niemanden besser gemacht hat.
Im Geschäftsleben hört Schobermann häufig: „Dein Fehler – mein Gewinn!“ Mit dieser Art von „Geier-Verhalten“ können ein friedliches Zusammenleben und Ehrlichkeit nicht funktionieren. Es kommt zum Verleugnen, Vertuschen und zur Korruption.
Wer verzeiht, wer nicht das Maximum an Schadenersatzforderungen herausholt, der wird für nicht ganz zurechnungsfähig gehalten, wo die Fehler der anderen für uns doch bares Geld bedeuten können.
Wenn Herrn Schobermann etwas zustieß, was in seinem bewegten Leben öfter passierte, suchte er zuerst einmal den Schuldigen im Außen – sei es bei anderen Menschen, einer Firma oder der Umweltverschmutzung. Damit gab er aber gleichzeitig auch die Verantwortung für sein eigenes Leben aus seinen Händen, schob anderen die Schuld und damit auch die Kontrolle der anderen über sich zu. „Trifft das nicht symptomatisch für alle zu?“ versuchte er sich zu rechtfertigen.
Andererseits war ihm klar, wer dem Menschen die Schuld, das heißt, die volle Verantwortung für das eigene Leben nimmt, der nimmt ihm auch seine Würde.
Menschen wie Schobermann beklagen die Versäumnisse, im Leben Vieles nicht erreicht oder lieb gewonnene Personen nicht mehr getroffen zu haben, um mit ihnen Gedanken auszutauschen.
Heute sagt er sich:
„Es ist alles endlich, vergänglich. Das einzig Beständige ist die stete Veränderung, der Wandel. Ist es nicht herrlich, dass wir die kleinen Freuden in Demut und Dankbarkeit genießen können, dass es Menschen gibt, mit denen wir gute Gedanken austauschen können, Menschen durch die wir etwas Gutes und Schönes an Aufmerksamkeit erfahren? Das macht das Leben schön!“