Herr Schobermann hat sich nach einer ausgeweiteten Meinungsverschiedenheit „um des Kaisers Bart“ Gedanken über die Frauen gemacht. Er versteht nicht, wieso die Männerwelt die Frauen das „schwache Geschlecht“ nennt.
Die Frau ist inzwischen dem Mann gesellschaftlich und rechtlich gleichgestellt. Ist so. Sie ist nicht von einem Mann abhängig, finanziell oder sonst wie, und sie kommt sehr gut allein klar. Ist so.
Er gerät immer wieder ins Staunen, dass besonders alleinstehende Frauen das Leben geradezu perfekt meistern. Wo Herr Schobermann mitunter Mühe hat und über Teamviewer seinen Sohn um Hilfe bittet, kommt sie mit Computern nicht nur klar, sie kann sie auch selber reparieren. Bei ihrem Laptop hat sie die SSD selber eingebaut, nebst Arbeitsspeichererweiterung und zweiter Festplatte. Das alles macht sie mit links!
Soll sie diese Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und Gleichstellung aufgeben, nur weil sie morgens vor dem Spiegel beschließt, mit etwas Make-up im Gesicht sähe sie vielleicht besser aus und fühle sich dann auch besser? Emanzipiert zu sein, heißt für sie, auf eigenen Beinen zu stehen, für ihr Tun und Lassen selber Verantwortung zu übernehmen .
Und es heißt für sie, den Mann zu respektieren in seinem So-Sein.
Weder benimmt sie sich wie ein Kerl noch hackt sie auf ihm herum, auch nicht, wenn er Dinge, die sie kann, nicht kann, oder wenn er Dinge tut, für die sie absolut kein Verständnis hat. Jeder tut, was er kann, das gilt für sie bei der Arbeit, bei Freunden und auch in einer Beziehung.
Gewissermaßen als Rechtfertigung zitiert sie gern berühmte Leute. So zum Beispiel Karl Marx: „Wir müssen uns erst selbst emanzipieren, ehe wir andere emanzipieren.“ Wie auch immer der Philosoph das aus seiner Sicht gemeint haben mag, hält sie sich nicht für besonders emanzipiert, sondern sie tat es bisher mehr für andere, gewissermaßen als Aktivistin.
Sie war in ihrem Leben eine Zeitlang „nur“ Hausfrau und Mutter, als ihre beiden Töchter und ihr Sohn klein waren und sie diese Zeit genossen hat, ohne schlechtes Gewissen und ohne sich in ihrem Wert herabgesetzt zu fühlen.
Herrn Schobermann wundert es immer wieder aufs Neue, wie sie das alles bewältigt. Er kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus.
Ach ja, kochen kann sie auch noch, und backen, waschen, bügeln, putzen, zuhören, trösten, erklären, und ihren Garten in Schuss halten. Auch das alles gehört zu ihr, zu dem was sie ist. Eine Frau, und die sie sehr gern ist, wie sie es selbst ganz nebenbei erwähnt.
Wenn es eine solche Frau gibt, wahrscheinlich deshalb, um antiquierten Männern wie Herrn Schobermann zu beweisen, dass sie kein „Heimchen am Herd“ ist und nicht ausschließlich an den Kochtopf gehört oder den Besen schwingt, dass sie „ihren Mann steht“ und mit dem so genannten „starken Geschlecht“ durchaus mithalten kann.
Sie hat allerdings kein Problem damit, jemanden um Hilfe zu bitten, wenn sie etwas mal nicht kann. Dabei ist es ihr so ziemlich egal, ob das ein Mann oder eine Frau ist. Hauptsache er/sie macht den Job gut.
In Diskussionen hat sie meist Recht, wenn sie geschickt von einem Thema abgleitet und dieses dann zu ihrem Vorteil für sie selbst unwirksam wird, weil sie es auf ein ganz anderes Problem überleitet, bei dem der männliche Gesprächspartner meist „alt aussieht“ und „auf dem falschen Fuß erwischt“ wird. Auch wenn er ihr hinterher sagt, sie hätte durch die Abweichung den Sachzusammenhang unlogisch aus den Angeln gehoben, weil das eine mit dem anderen nichts zu tun habe, spielt das für sie keine Rolle mehr.
Hat Herr Schobermann einen Moment von der Idealfrau geträumt?
Es muss wohl so gewesen sein.
Gleichzeitig denkt er an die Geschichte von dem Mann an der französischen Atlantikküste, der am Strand eine bauchige Flasche findet. „Aha, Flaschenpost!“ denkt der und entkorkt sie.
Heraus strömt eine dicke Rauchwolke, die immer größer und größer wird. Diese verwandelt sich in einen riesigen Dschinn, in einen Geist. Nachdem sich der Mann von seinem Schrecken erholt hat, bebt beim Sprechen des Dschinns die Erde, als er voll Pathos ruft:
„Du hast mich erlöst! Du hast einen Wunsch frei. Nenne ihn mir!“
Der Mann überlegt kurz und sieht aufs Meer. „Ich wünsche mir eine Autobahnbrücke von hier nach Amerika.“
Der Geist kratzt sich am Kopf und fragt: „Das ist gar nicht so einfach. Hast du nicht noch einen anderen Wunsch?“
Der Mann überlegt diesmal länger und sagt:
„Ich möchte die Frauen verstehen lernen können.“
Darauf der Dschinn: „Wie viel spurig wolltest du die Autobahn haben?“