Oma hat ’ne Galaxie!

So tönte die kleine Enkelin von Frau Schobermann und tanzte fortwährend um ihre Großmutter herum.
„Oma, wieso hast du eigentlich eine Galaxie auf dem Kopf?“
„Wie kommst du denn auf so was?“
„Aber das sieht aus wie eine Galaxie!“
„Ach so! Die haben alle Menschen im Haar. An verschiedenen Stellen auf der Kopfhaut.
Man nennt sie nur Wirbel!
Du hast auch so einen Wirbel, dessen Spiralarme nach außen zeigen.

Dein Vergleich ist gar nicht so schlecht!, Maren!

Und das Bemerkenswerte ist, dass alle Galaxien alle in verschiedene kreisförmige Bewegungen nach außen auslaufen, und ihre Sonnen und deren Planeten ebenfalls.
Die astronomische Wissenschaft hat ergründet, dass beispielsweise die Erde 13 verschiedene Richtungen auf kreisförmigen Bahnen ausführt.
Also, alles dreht sich herum!“

„Ja, dieses Lied haben wir im Vorschulkindergarten gesungen und sind gemeinsam im Kreis gegangen:
Wollt ihr wissen, wollt ihr wissen,
wie’s die kleinen Mädchen machen?
Püppchen wiegen, Püppchen wiegen,
alles dreht sich herum….“ ¹)

„Weißt du denn noch etwas, das sich dreht?“
Maren dachte eine Weile nach. „Oh ja, das Karussell!“ Sie klatschte in ihre Hände vor Freude, weil ihr das eingefallen war.
„ Du hast Recht! Die Menschen mochten schon immer Drehgestelle, Drehstühle, Drehpuppen, Spieluhren, Uhren aller Art, Drehscheiben aus Holz auf Jahrmärkten und Kinderspielplätzen, von denen die Menschen mehr und mehr herunter plumpsten, je schneller sich die große, ganz flache Scheibe drehte.
Das Karussell, in dem die Leute gedreht wurden, war ein Vergnügen für Jung und Alt.
Du glaubst gar nicht , wie viele Lieder es über das Karussellfahren gibt, die ich als Kind gesungen habe.“

„Sing‘ mal eins, Oma!“

„Schön ist so ein Ringelspiel
Das ist der Hit und kost‘ nicht viel,
da sich auch der kleine Mann
diese Freude leisten kann
Immer wieder fährt man weg
und dreht sich doch am selben Fleck.
Man kann sagen will, was man will,
schön ist so ein Ringelspiel.“

„Ja, noch vor dem zweiten Weltkrieg bezeichnete man das Karussell mit dem Namen ‚Ringelspiel‘.“
„Der Name stammt vom Wort „Ringspiel“, auch Ringelspiel. Die Ritter im Mittelalter saßen auf hölzernen Pferden. Um ihr drehbares Holzgestell ritten Knappen mit „Ringeln“ oder Ringen an Hakenstangen in Gegenrichtung des sich bewegenden Karussells vorbei. Der Ritter musste nun die Geschicklichkeit erlernen und zeigen, mit einer Lanze in seiner rechten Hand in einen Ring oder „Ringel“ zu treffen. Weil die meisten Menschen Rechtshänder sind, kommt es, dass man die Karussells immer in die Drehung gegen den Uhrzeigersinn drehte. Kräftige Knappen bewegten das anfangs noch sehr schwere, klobige Pferdegestell.“

„Und noch ein Lied nenne ich dir mit seinem Titel:
‚Das Karussell, das dreht sich immer rundherum‘. Viele Sänger der Fünfziger- und Sechziger Jahre haben das besungen.
Gibt es noch etwas, was dir zum Drehen einfällt?
Denk‘ mal an Autos oder Fahrräder oder drehbare Maschinen in eurer Wohnung!“
„O ja, Oma, das stimmt!“

„Ohne Räder und Zahnräder geht in der Technik ja nur wenig,
Im Krieg stand an den Lokomotiven in großer Schrift:
„Räder müssen rollen für den Sieg!“
Ich habe damals nie verstanden, was Räder mit „Sieg“ zu tun haben.
Wir hatten uns als Kinder so an den Krieg gewöhnt, dass wir dachten, Krieg müsse immer sein. Die Worte „Frieden“ und „Sieg“ hat keiner in den Mund genommen, wohl aus Angst davor, es könnten nach dem Krieg noch furchtbarere Verhältnisse mit noch schrecklicheren Bedingungen für uns geben.“

„Dein Opa spielte in der Schulklasse auf Karopapier „Schiffe versenken“ und in der Sandkisten „Bombenkrieg“, bei dem die aufgebauten Häuser aus Sand zerstört wurden.
Als Kinder kreiselten wir mit spitzen Holzkegeln, indem wir diese mit einer Peitsche antrieben und mit einem Holzreifen, den wir mit einem Stock zum Laufen brachten.“

„Und für die Jungen gab es das Rollschuh- und „Seifenkistenfahren“ auf dem Asphalt der Straße. Das wäre heute undenkbar. Damals, im Krieg, fuhren keine Autos, nur Pferdefuhrwerke.
Einen Ball spielen, war kaum möglich, denn wer hatte in der Sowjetischen Besatzungszone und in den frühen Jahren der DDR schon noch aufblasbare Lederbälle mit Gummiblase innen oder neue Plastikbälle aus dem „Westen“? ²)
So spielten wir mit Stoffballen, die wir zusammenklebten, die aber nicht lange hielten.“

„Kleine Glaskugeln katapultierte dein Opa mit anderen Jungen auf einen großen „Lochkasten“ aus Sperrholz, deren Laufrichtung durch den Drall, die Wucht der Beschleunigung und der Drehung durch Ziehen einer Stahlfeder nicht kalkuliert werden konnten, so dass man nie genau wusste, in welches „Bewertungsloch“ die Kugel fallen würde. Aber das war gerade das Interessante für die Kinder.
War das die Ur-Entwicklung des Kugel-Spielautomaten? Nein, der war längst
als „Flipper“ in Amerika erfunden worden.
Was mich noch als Kind faszinierte:
Lässt man Wasser aus einer Badewanne abfließen, entsteht über dem Abfluss irgendwann ein kleiner Wirbel, in dem sich das Wasser dreht und durch den Abfluss verschwindet.
Stelle du nur beim Duschen bei ganz wenig Wasserverbrauch einmal fest, in welche Richtung bei euch in der Dusche oder Wanne der Strudel der restlichen abfließenden Wassermenge sich dreht, links herum oder rechts herum?“

„Bei Meeresströmungen oder den Luftwirbeln von atmosphärischen Hoch- und Tiefdruckgebieten ist das ein bisschen anders. Auf der Nordhalbkugel der Erde drehen sich solche Wirbel tatsächlich immer in die gleiche Richtung und stets entgegengesetzt zu denen auf der Südhalbkugel.“

„Du siehst, Maren, alles hat etwas mit Drehen zu tun! Alles dreht sich herum!
Selbst der „Drehwurm“ machte uns Spaß. An einem fest zu markierendem Stock drehten wir uns als Kinder gebeugt immerfort schnell im Kreis.
Danach ergötzten wir uns daran, dass wir nach dem Loslassen des Stockes und dem Versuch des Geradeausgehens umfielen, weil wir uns nicht auf den Beinen halten konnten.“

„Die Wirbelstürme in den Tropen hatte ich noch nicht erwähnt. Die sehen vom Satelliten auch aus wie Galaxien und drehen sich bei ihrer Fortbewegung ganz schnell.
Nun weißt du schon sehr viel über die Dinge, die sich drehen.“

„Aber etwas von den zwei Schlingeln Jan und Lennart muss ich noch über das Drehen berichten:
In vielen Frei- und Hallenbädern gibt es ein großes Wasser-Strömungsbecken, in welchem man sich von der sehr starken Strömung fortreißen lassen kann.
Die beiden Enkel, die du ja kennst und die heute schon erwachsen sind, hatten als Kinder ihre diebische Freude daran, mich so zu attackieren, dass ich mich weder am Rand der Strömung ausruhen oder festhalten noch diese „Wasserkreisbahn“ verlassen konnte. Sie riefen mir zu: „Die Haie kommen!“ und wollten mir damit Furcht einflößen. Ich tat so, als schwämme ich um mein Leben. Sie riefen: „Es ist Sturmflut!“ Jedesmal, wenn ich mich irgendwo am Rand festhalten wollte, lösten sie mit Gewalt meine Hände, und ich schwamm ‚weiter um mein Leben‘.“

„Ganz böse Jungs!“ kommentierte meine Enkelin. „Du hättest ertrinken können! Hätte Opa Helmut nicht zu Hilfe kommen können?“

„I wo, der war irgendwo im Tiefen mit dem Großen! Siehst du, alles das hatte mit dem Drehen zu tun.
Kannst du dir vorstellen, dass du auf einer großen Kugel lebst, die mit ungeheurer Geschwindigkeit in einer kreisförmigen Bahn durch das dunkle Weltall rast und dabei gleichzeitig 13 verschiedene andere Bewegungen ausführt? Mir wird schwindlig bei dem Gedanken!
Zum Schluss noch etwas Lustiges:
Die Schweizer nennen ihren „Verkehrs-Kreisel „ RUNDUMME(R)LI“.
Ist das nicht zum Lachen?“

„Wenn das alles mit den vielen Drehungen meinen Horizont übersteigt, halte ich es mit dem Papagei:
„Jetzt geht‘s rund!“, sagte der Papagei und flog in den Ventilator.
Dir sage ich: Zur Entspannung flog er ein paar Runden mit, ohne sich zu verletzen!“

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¹) Das Lied hat noch viele andere Strophen. Es sind immer neue dazu geschrieben worden, um dem „Klischee der Rollenverhalten“ zu entgehen.
²) Der „Westen“ war im Volksmund die wirtschaftlich aufstrebende Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe des ERP-Marshall-Planes ohne Demontage der Stahlwerke und Eisenbahnanlagen durch die Besatzungsmacht.

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