…braucht ein Seemann…
So oder ähnlich kennt Herr Schobermann es aus Schlagern, Shantys und Abenteuer-Erzählungen.¹)
Das heute noch meistbesungene englische Shanty heißt „Wellerman“ ²) und wird von vielen Gesanggruppen in Chören verschiedenster Art zum Besten gegeben. Es stammt ursprünglich von einem neuseeländischen Walfängerschiff um 1760. Die Matrosen warteten ungeduldig auf das Entsatz-Versorgungsschiff, das nicht kam, da die Mannschaft unter Tee-, Zucker – und Rum-Mangel litt, denn in den Walfang-Kältezonen der Antarktis wurde damals der Rumgrog geboren, so nach dem Motto:
„Rum muss, Zucker kann, Wasser braucht nicht!“
Der Tee aus Indien – gestreckt als Rum-Ersatz – gaukelte den Seeleuten ein bisschen Rum-Geschmack vor. Die „christliche Seefahrt“ hat Schobermann nie wirklich kennen gelernt. Sie vermittelte den Menschen in Filmen, Erzählungen und Schlagern den Traum von der Erfüllung der Sehnsucht in die Ferne. Seeleute bewunderte er stets, sahen die doch etwas von der „großen, weiten Welt“.
Schobermanns Vater fuhr in beiden Weltkriegen des 20.Jahrhunderts auf U-Booten und erzählte, wenn er im 2. Weltkrieg auf Urlaub kam, von den „stählernen Särgen“. Im Dezember 1944 kurz vor Heiligabend 1944 hat ihn der Tod dann doch noch ereilt, als die letzten Marine-Mannschaften in den Kesselschlachten von Cherbourg, La Rochelle, St. Nazaire bei Nantes und in Brest von den amerikanischen Truppen regelrecht mit Granatwerfern zusammengeschossen wurden. Von den ursprünglich dreißig Männern ihrer U-Boot-Besatzung in einem primitiv eilig eingerichteten Gefechtsstand in aussichtsloser Lage in St. Nazaire überlebten nur zwölf und kamen in amerikanische Kriegsgefangenschaft.
Seither hat Schobermann großen Respekt vor Leuten, die eine Schiffermütze auf dem Kopf tragen.
Später, im Sommer 1952, gesellte er sich im Hamburger Hafen nahe dem Fischmarkt auf einer Mauer zu einem kleinen sommersprossigen Knirps und ließ wie er die Beine baumeln. Ein paar Meter weiter nahm sich ein alter Seebär ebenfalls die Muße, in der Nachmittagssonne das Leben und Treiben im Hafen zu beobachten. Der Rauch von dem schrecklichen Knaster ³) seiner Pfeife zog bis zu Schobermann und dem Jungen hin.
Der fasste sich ein Herz und sprach den Mann mit der Schiffermütze an:
„Schönes Wetter heute, Herr Kapitän!“
Der so Angesprochene sog an seiner Pfeife und verzog keine Miene.
„Von hier hat man eine schöne Aussicht. Man kann den ganzen Hafen überblicken, Herr Kapitän!“
Unbeweglich saß der vermeintliche Seemann und zog weiter an seiner Pfeife.
„Das ist sicher Ihr Lieblingsplatz hier, wenn Sie mal an Land sind, Herr Kapitän!“
Der Mann machte dem Ruf alle Ehre, dass die Leute in Hamburg zuweilen mundfaul sein sollen.
„Sie haben bestimmt schon viel Schreckliches erlebt auf See, Herr Kapitän, nicht wahr?“
Jetzt nahm der Mann seinen Schmauchkolben aus dem Mund und ließ sich zu folgender Äußerung herab: „Jo, eeeinmoal, da war der Rum alle!“
Anmerkungen:
¹) In den verschiedenen deutschen Übersetzungen von „Wellerman“ sind es der Klabautermann oder der „Fliegende Holländer“, vor denen die Seeleute auf den Segelschiffen Angst hatten, weil im 18.und 19. Jahrhundert der Aberglaube vorherrschte: Sah einer von der Mannschaft diesen Geist auf seinem Schiff, war das Schiff verloren, hieß es. Der Klabautermann zeigte sich in abgerissener Seemannsuniform und Hut mit vorn abgeknickter Krempe. Der Fliegende Holländer war ein Segelschiff in schlechtem Zustand, auf dem beim näheren Hinsehen keine Leute drauf zu sehen waren.
²) Das vorherrschende „Schatzinsel-Getränk“ der Piraten war der Rum, nach der Erzählung von Robert Louis Stevenson und dem Film „Fluch der Karibik“ mit Johnny Depp.
³) Knaster nannte man minderwertigen Tabak aus Tabakpflanzen-Strünken. Guter Tabak war neben amerikanischen Zigaretten wie Chesterfield und Camel ein wertvolles Tausch-Gut nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Schwarzen Märkten in ganz Deutschland.