Zuhören

Die Definition des Begriffes Zuhören ist einfach und sachlich, sagt der Duden. „Zuhören bedeutet, dass zum rein körperlichen Vorgang des Hörens zusätzlich die Aufmerksamkeit auf das akustische Signal gerichtet wird.“

Diese Interpretation ist mir ein bisschen zu hoch und zu abstrakt. Es gibt sehr zahlreiche gute Interpretationen über das Zuhören. Ich habe mich auf wenige beschränkt.

Kein Schweigen ist fruchtbarer als das Zuhören. (Elazar Benyoetz)

Der Journalist und Chefredakteur der „Zeit“, Giovanni di Lorenzo, der Hunderte von Berühmtheiten interviewt hat, erklärte einmal, dass viele Menschen nur deshalb einen ungünstigen Eindruck hinterlassen, weil sie nicht aufmerksam zuhören. Sie sind so sehr damit beschäftigt, was sie als Nächstes sagen wollen, dass ihre Ohren taub sind.

Die Interviews von di Lorenzo in seinem Buch „Vom Leben und anderen Zumutungen“ (2011-23 ist der Zeitraum der vielen Interviews) sind lesenswert. Er ist einer, der zuhören kann.

Mehr noch: Er ist einer, der zuhören und seine Zuhörer gleichzeitig fesseln kann. Als Leser erwartet man ungeduldig seine nächste Frage und die Antwort darauf von dem jeweils prominenten Befragten.

„Berühmte Menschen haben mir gestanden, dass sie einen guten Zuhörer mehr schätzen als einen guten Redner, doch die Fähigkeit zuzuhören scheint seltener als jede andere positive Eigenschaft“ (Dale Carnegie)

„Ein gutes Gespräch ist ein Kompromiss zwischen Reden und Zuhören.“ (Ernst Jünger)

„Kein Schweigen ist fruchtbarer als das Zuhören.“ (Elazar Benyoetz)

Mir gefiel die Serie im Radio beim NDR Hamburg „Hör mal ’n beten to!“ besonders. Diese Kommentar-Reihe war jedes Mal knapp und kurz und sagte doch Wesentliches aus.

„Nun hör‘ doch erst mal zu!“ hört man bei hitzigen Debatten im privaten Kreis immer wieder aufs Neue. Kinder machen das richtig, indem sie einen Rede-Stoppschutz einbauen, wenn es ihnen zu bunt wird. Dann herrscht erst einmal eine Pause zum Durchatmen.

Die Erwachsenen lenken in der Regel ein, bevor Grenzen überschritten werden. Wortreichen Schlagabtausch erleben wir im Moment in vielen Bereichen, in politischen Debatten, zwischen Demonstrierenden und Regierenden, zwischen Gewerkschaften und Ökonomen, zwischen Reformern und Traditionalisten. Und nicht immer liegt in der Kürze die Würze.

Bissige Plakatsprüche oder Beleidigungen erschweren das Gespräch. Der Austausch bleibt oberflächlich, und ein tieferes Verstehen bleibt aus. Und das bei all den wichtigen Themen, die unsere Gesellschaft derzeit bewegen.

Wer wirklich zuhört, erfährt und entdeckt Neues, manchmal Überraschendes und Unerwartetes.

Wer ernstlich zuhört, lässt sich auf sein Gegenüber ein, will Hintergründe erfahren und verstehen, was andere Menschen bewegt.

Wir können voneinander lernen, wenn wir von den Bildern ablassen, die wir uns gemacht haben und nicht insgeheim denken: „Ich kenne deinen Typ genau. Ich weiß schon, wie du tickst!“

Das bedeutet auch, sich zu öffnen und bereit zu sein, den eigenen Standpunkt zu überdenken.

Es bereichert und berührt, die Sichtweisen anderer kennenzulernen und ihre Geschichten zu hören. Wer einmal Gelegenheit hatte, einem Zeitzeugen oder einer Zeitzeugin zuzuhören, die aus dem Leben berichteten, hat das erlebt.

Wenn nun aber gar nichts mehr geht und die Streitigkeiten in Verbindung mit Beleidigungen kein Ende nähmen, dann müsste so eine energiegeladene Frau wie die meine mit einem heftigen Donnerwetter dazwischen gehen und den Streithähnen zurufen:

 „Nun ist es aber nun schön nun!“

unabhängig davon, wie viele „Nun“ sie absichtlich oder unabsichtlich in die hitzige Debatte geworfen hätte, so wie sie eine Zankerei unter Kindern davon schon einmal auf diese Weise beendete, indem sie mit dem Wörtchen „schön“ als vermeintliches Gegenteil die streitende Kindergruppe auseinander fegte und an die frische Luft setzte.

Vielleicht könnte der von mir übernommene Vorschlag „Mütter an die Macht“ eines Tages Streitigkeiten und Kriege in der Welt verhindern!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert