Entrüstung bis zum Horizont und noch weiter.
Alle Quarktaschen fingen an zu quaken und sich zu entrüsten.
„Aber das geht doch nicht.!“
„Kann er doch nicht machen, der Helmut!“
„So was, aber SO was, also SO WAS, das gehört sich nicht…!“
Der Rücken juckte. Das Hemd klebte am Körper. 30 Grad im Schatten, Mittagshitze im Freien auf einem Spaziergang nach Stauf. ¹)
Herrn Schobermann war nach einer Pause zumute und zog sein Hemd aus. Nur sein Oberhemd.
Weiter ging es:
„Oh Mann! Oh je! O jegerle! Das t u t m a n n i c h t!
Schuppert sich wie eine Sau am Baum!“
Schobermann hätte sagen müssen:
„Na und? Was kümmert‘s den Eichbaum, wenn die Sau sich dran schuppert?“
Hatte er aber nicht. So geistesgegenwärtig fiel ihm, dem momentan Verlegenen, nichts ein.
Der andere männliche „Mittelgebirgswanderer“ wurde anders beurteilt.
Als „Dorfheld“ wurde er bekannt durch sein mutiges Eingreifen, indem er dem Hühnerhabicht mit einer gen Himmel erhobenen Mistgabel drohte:
„Du Geier, wenn du noch einmal ein Huhn holst, spieß‘ ich dich auf!“
Das ging als Lacher in die Dorfgeschichte ein.
Seine zweite Heldentat:
Er stoppte ein wild gewordenes „durchgebranntes“ Pferd, auf dem sich ängstlich ein elfjähriges Mädchen klammerte. Die besorgte Mutter des Mädchens, die inzwischen heran gekommen war, beruhigte das Pferd, indem sie es mit Mohrrübenstückchen aus ihrer Schürzentasche fütterte, und sah den „Lebensretter“ ihrer Tochter dankbar an.
Dieser forderte von der attraktiven Blondine auch ein Stück Möhre: „Nun bin aber ich mal dran!“
Darauf die kesse kleine Tochter:
„Erst, wenn Sie über die große Pfütze zu meiner Mutter gesprungen sind!“ Der so Angeredete ließ sich in Aussicht auf die Gunst des Mädchens und ihrer hübschen Mutter nicht zweimal bitten und sprang mit Anlauf und einem gewaltigen Satz, ohne nass zu werden.
Darauf fütterte ihn die Mutter, wie sie das vorher mit ihrem Pferd getan hatte:
„Kommen Sie, Sie bekommen auch etwas von mir!“
„Nun sieh‘ sich d a s einer an!“ rief das vorlaute, altkluge Mädchen, „jetzt frisst er ihr sogar
schon aus der Hand!“
Mit diesen Meriten behaftet, durfte also der andere Feriengast in der freien Natur „vor aller Welt“ sein Wasser abschlagen.
Alle Wanderer der Gruppe klatschten, als er sich die Hose hochzog und feierlich zur Frauengruppe auf Lateinisch sagte:
„Navigare necesse est!“, und sie ihn – möglicherweise auf Grund dieses gesprochenen Satzes – bewunderten.
Der von allen missachtete und gerügte, sicherlich auch neidisch gewordene Schobermann fragte sich, was um aller Welt hier navigiert werden sollte.
Etwa der Urinstrahl, damit der beim Wasserlassen Bewunderte sich selbst nicht voll pinkeln konnte?
Schobermann erteilte als Gast in dem Ferienort kostenlos Nachhilfeunterricht für ein behindertes Kind, fütterte das Vieh, fuhr Mist in die Mistkuhle und wurde ausgeschimpft, weil er sich mit dreckiger Montur und Gummistiefeln an den Frühstückstisch zu seinem Freund setzen wollte
„Du Ferkel, geh‘ unter die Pumpe und wasch‘ dich mal ordentlich!“.
So kann‘s kommen, wenn die Leute dich mit zweierlei Maß bewerten:
Der eine steht um 10:00 Uhr auf.
Für Ihn ist der Frühstückstisch gedeckt.
Für den anderen, der um sechs Uhr in der Frühe eilig im Gehen einen Kanten Brot verschlang, war die Frühstückszeit bereits vorbei, bevor er mehrmals Mist mit der Schiebkarre den steilen Berg hinauf zur Mistdeponie unter Aufbietung aller seiner Kräfte geastet und das Vieh im Tal gefüttert hatte.
Schobermann dachte sich darauf: „Ihr könnt mich doch alle mal…!“
Beide Freunde waren als „Senioren-Touristen“ durch Zufall in das beschauliche einsame Pfälzer Rosenthal eingekehrt.
¹) Stauf: ein höher als Rosenthal gelegenes Ausflugsziel in der Pfalz mit einer Burgruine.
In Rosenthal („Dich, mein stilles Tal, grüß‘ ich tausendmal…“ – wie von Hans Thoma gemalt) steht ein berühmtes mittelalterlichem Kloster .